05.02.2016

Sonntag, 14. Februar, 15.30 Uhr

Sonderführung Exponat des Monats
„Das Bauhaus-Schachspiel von Josef Hartwig"


Füh­rung: Elisa Le­co­in­te, M.A.
Ort: ernst-may-haus, Im Burg­feld 136, Frank­furt-Rö­mer­stadt

Wür­fel, Win­kel, Kreuz und Kugel: aus die­sen Grund­for­men kon­stru­ier­te Josef Hart­wig 1924 die Fi­gu­ren sei­nes Schach­spiels. Er über­trug damit die für das Bau­haus ele­men­ta­re Idee form fol­lows func­tion kon­se­quent auf das ehr­wür­di­ge Stra­te­gie­spiel, das seit dem 13. Jahr­hun­dert fest in der eu­ro­päi­schen Kul­tur ver­an­kert ist. Tra­di­tio­nell ori­en­tiert sich die Ge­stal­tung der Fi­gu­ren an deren Namen, die wie­der­um eine sym­bo­li­sche Ver­bin­dung zur mi­li­tä­ri­schen Hier­ar­chie auf dem vor­mo­der­nen Schlacht­feld her­stel­len. Der König trägt meist eine Krone, der Läu­fer einen Helm oder aber eine Bi­schofs­müt­ze. Der Turm zeich­net sich durch seine Zin­nen aus und der Sprin­ger er­scheint mit dem Un­ter­leib einer Spiel­fi­gur und dem Kopf eines Pfer­des als Ken­taur en mi­nia­tu­re.

Schachspiel von Joseph HartwigSchach­spiel von Josef Hart­wig
Foto:  Tho­mas Half­mann, CC BY-NC-ND 2.0 

Die Fi­gu­ren des Bau­haus-Schach­spiels bra­chen mit die­ser Tra­di­ti­on und ori­en­tier­ten sich al­lein an Wert und Funk­ti­on der Fi­gu­ren. Die Bau­ern sind klei­ne Wür­fel, der Turm ein schlich­ter Qua­der, der an die Ar­chi­tek­tur des Neuen Bau­ens er­in­nert. Der Läu­fer sym­bo­li­siert mit sei­ner Kreuz­form die dia­go­na­le Be­we­gungs­frei­heit der Figur. Hart­wig schuf damit eine pa­zi­fis­ti­sche Schach­ver­si­on, die sich durch Abs­trak­ti­on von der Kriegs­mi­me­sis löst und als rei­nes Stra­te­gie­spiel zu ver­ste­hen ist. Das Bau­haus-Schach­spiel ist heute ein De­si­gn­klas­si­ker. Seit Ende letz­ten Jah­ren ist die ernst-may-ge­sell­schaft dank einer groß­zü­gi­gen Spen­de Ul­rich Hel­bings im Be­sitz eines ori­gi­na­len Spiels.

Josef Hart­wig (1880-1955) war Stein­metz und Bild­hau­er. Nach sei­ner Aus­bil­dung an der Münch­ner Aka­de­mie war er ab 1914 in Ber­lin tätig, wo er sich vor­wie­gend mit der Ge­stal­tung von Grab­ma­len be­schäf­tig­te. 1921 wurde er ans Bau­haus in Wei­mar be­ru­fen und lehr­te als Werk­meis­ter Stein- und Holz­bild­haue­rei. Ge­mein­sam mit Oskar Schlem­mer war er mit der künst­le­ri­schen Aus­ge­stal­tung des Bau­h­aus­ge­bäu­des be­traut. Nach der Schlie­ßung der Wei­ma­rer In­sti­tu­ti­on 1925 voll­zog er deren Umzug nach Des­sau nicht mit, son­dern un­ter­rich­te­te Bild­haue­rei an der Frank­fur­ter Kunst­schu­le.

Text: C.​Julius Reins­berg, Stand: Fe­bru­ar 2016