Von: ct
05.06.2021

Exponat des Monats Juni 2021

Ein Sonnenschutz aus den 1920er Jahren


Dass im Sommer die Sonne scheint und das Thermometer gelegentlich auch für mehrere Tage oder gar Wochen auf 30 Grad und höher klettert, ist ein Phänomen, das sich in den letzten Jahren zugespitzt hat. Heiße Sommer jedoch gab es auch in den späten 1920er Jahren, als die Siedlungen des Neuen Frankfurt gebaut wurden und von Klimawandel noch nicht die Rede war.


Da die Menschen damals nicht hitzetoleranter waren als wir es heute sind, verwundert es kaum, dass sich vor allem die Mieterinnen und Mieter der Wohnungen und Häuser über starke Sonneneinstrahlung beklagten, deren Terrasse gen Süden ausgerichtet ist. In den flach gedeckten Häusern beispielsweise der Siedlung Römerstadt gab und gibt es keinen isolierenden Dachboden und an den fassadenbündig eingesetzten Fenstern waren keine Rollläden vorgesehen. Auch auf die ungeschützt vor den Wohnungen liegenden, gepflasterten Terrassen prallte die Sonne nieder, so dass an warmen Sommertagen ein Aufenthalt dort nahezu unmöglich war. Schon kurz nach der Fertigstellung der Häuser wandten sich die Menschen an die Vermieterin, die Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnung (ABG), mit dem dringenden Anliegen, einen Sonnenschutz anzubringen.

 


Sonnenschutz an den Terrassen der Einfamilienhäuser, Frontal- und Seitenansicht
Plan aus dem Jahr 1928, ABG Frankfurt Holding

Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.



Die Notwendigkeit eines Sonnenschutzes war für die Architekten der ABG nachvollziehbar, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil der Chefarchitekt Carl-Hermann Rudloff selbst ein solches Haus in der Siedlung Höhenblick bewohnte und mit demselben Problem konfrontiert war. So entwickelte er zusammen mit seinem Team eine kluge, zweiteilige Lösung, die eine Markise zusätzlich zu den Rankpflanzen über der Terrasse vorsah als auch ein vertikales Rankgerüst, welches vor der Terrasse im Blumenbeet aufgestellt werden sollte. Die Blätter der daran entlangwachsenden Pflanzen schirmten die tiefer stehende Sonne ab und durch ihre Wasserverdunstung kühlten sie gleichzeitig ihre Umgebung. Stand die Sonne zur Mittagszeit im Zenit, sollte eine orange-weiß gestreifte Stoffplane ausgerollt werden können. Im Gegensatz zu den heutigen Markisen, die an der Hauswand befestigt sind und aufgerollt werden können, wurde das Modell aus den 1920er Jahren an der Betontrennwand zur Nachbarterrasse befestigt und dort durch einen Kurbelmechanismus zusammengerafft bzw. von der Seite her über die Terrasse gespannt.

 


Sonnenschutz an den Terrassen der Einfamilienhäuser, Grundriss
Plan aus dem Jahr 1928, ABG Frankfurt Holding

Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.



Was für ein schönes, an den Süden erinnerndes Bild hätte dieser Anblick abgegeben. Die fröhlichen orange-weißen Markisen vor den strahlend weißen Hauswänden mit blauen Fensterrahmen und dem frischen Grün in den Blumenbeeten. Die Sonnenschutzideen von damals könnten auch heute als Vorbild für einen modernen, intelligenten und ökologisch sinnvollen Sonnenschutz dienen.

 


Sonnenschutz an den Terrassen der Einfamilienhäuser
Plan aus dem Jahr 1928, ABG Frankfurt Holding

Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.

 

Text: Christina Treutlein