Ein hölzerner Kasten mit einem Hohlzylinder darin und ein Deckel obenauf. Der Gebrauch dieses primitiven Dings erschließt sich nicht beim ersten Anblick. Auch dessen Name „Kochkiste“ klingt im Zeitalter der Mikrowellen und Induktionsherde rätselhaft – wie soll eine Kiste denn bitteschön kochen, so ganz ohne Strom? Aber genau das ist der Knackpunkt, denn mit der Kochkiste kann man ohne Strom tatsächlich kochen!
Kochkiste
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.
Doch der Reihe nach: Diese Kochkiste stammt aus einer Frankfurter Küche in der Siedlung Bornheimer Hang. In den ersten Siedlungen des Neuen Frankfurts waren die Frankfurter Küchen mit Gasherden ausgestattet. Neben diesen stand planmäßig eine Kochkiste. Sie besteht aus Holz und zugeklappt diente sie als Abstellfläche zum Beispiel für heiße Töpfe. Aus diesem Grund war der Deckel ursprünglich mit einer hitzebeständigen, emaillierten Metalloberfläche versehen. Auf den historischen Fotografien ist zu erkennen, dass sie schwarz war. Die Löcher der Nägel, mit denen die dünne Metallplatte befestigt war, sind am Deckelrand noch zu erkennen.
Oberseite der Kochkiste ohne Metallplatte
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.
Die Scharniere zum Hochklappen des Deckels sind heute nicht mehr vorhanden, weshalb er abgestützt ist. Auf der Innenseite des Deckels sowie der Fläche neben der metallenen Ausbuchtung sind zur Isolierung Weißasbestplatten angebracht. Asbest, ein Material das heute aufgrund seiner Gesundheitsgefährdung bei der Verarbeitung nicht mehr zum Einsatz kommt und als Sondermüll entsorgt wird, war in den 1920er Jahren aufgrund seiner hervorragenden Dämmeigenschaften und kostengünstigen Herstellung ein äußerst beliebter Baustoff.
Metallener Hohlzylinder in den der Kochtopf gestellt wird
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.
In den hohlen Metallzylinder aus Nickelin in der Mitte der Kiste wurde der Kochtopf versenkt, in dem sich wiederum die zu garenden Speise befand. Der Zylinder hat einen Durchmesser von 20,5 cm und eine Höhe von 23,5 cm. Da es keine Ausbuchtungen für die Topfgriffe gibt, mussten spezielle Töpfe mit klappbaren Griffen verwendet werden.
Zur Isolierung wurden in den Hohlraum zwischen dem Metallzylinder und den Wänden der Holzkiste Sägespänen gefüllt.
Schrankfach unter der Kochkiste
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.
Unter der Kochkiste ist Schrankfach, das weiteren Stauraum in der Küche bot. Die Kochkisten in Frankfurter Küchen gab es in verschiedenen Ausführungen. Teilweise hatten sie statt des Schrankfachs Schubladen und waren für zwei Töpfe etwas größer als das dieses kleinere Exemplar. Unter dem weißen Farbanstrich hat sich die erste Farbfassung der Kochkiste erhalten, es ist ein Blaugrau.
Kochkiste für zwei Töpfe aus der Siedlung Höhenblick
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.
Zur Funktion der Kochkiste: Als Kochkiste bezeichnet man einen Behälter, der mit einem dämmenden Material gefüllt ist, in den ein Topf mit der angegarten Speise gestellt und anschließend verschlossen wird. Durch das Verschließen der Kochkiste wird die Wärme im Inneren gehalten, so dass die Speise ohne weitere Energiezufuhr fertiggart. Da die Kochkiste ohne einen Stromanschluss oder eine andere Art der Energiezufuhr funktioniert, wird die zum Garen benötigte Energie dem Lebensmittel zunächst durch angaren auf dem Herd zugeführt. So muss beispielsweise Reis nur eine Minute auf dem Herd kochen, bevor er zum fertiggaren mit verschlossenem Deckel für zwei bis vier Stunden in die Kochkiste gestellt wird. Die Energie (Gas oder Strom), die der Reis für 30-40 Minuten beim Kochen auf dem Herd benötigen würde, entfallen beim Garen in der Kochkiste. Ein weiterer Vorteil ist, dass in der Kochkiste nichts anbrennt oder überkocht und Mann oder Frau das Haus während des Kochens verlassen kann.
In den Frankfurter Küchen der Römerstadt gab es übrigens keine Kochkisten, denn sie waren mit Elektroherden ausgestattet. Von den Elektroherden versprach man sich energiesparendes Garen und Warmhalten durch das Einschalten der Herdplatte auf kleiner Stufe. Somit gab es kein offenes Feuer mehr und die Kochstelle musste nicht permanent beaufsichtigt werden.
Die Kochkiste ist eine sehr alte Methode des energiesparenden Garens. Frühe Modelle waren einfache Holzkisten, gefüllt mit Stroh als Dämmmaterial. Eine der frühesten Beschreibungen einer Kochkiste lieferte laut A. Posner der römische Dichter Juvenal (1./2. Jahrhundert nach Christus), der in seinem Gedicht „Gefahren der Großstadt“ eine Vorrichtung in jüdischen Haushalten beschreibt: „[D]ie Juden, denen (nach Ex 35/3) verboten ist, am Sabbath Feuer zu machen, ihre schon tags zuvor zubereiteten Speisen im warmen Zustande in den cophinus, dies ist ein Behälter aus Flechtwerk, auch Korb genannt, taten und darauf noch Leinenzeug und Tücher legten, so daß die Eßwaren am Sabbattage wirklich noch warm waren.“ (Rabbiner A. Posner: Die ‚Kochkiste‘ der Juden bei Juvenal. Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 66. Jg., 1922, Heft 3, S. 230-232)
Um 1900 erscheinen zahlreiche Kochbücher für Kochkisten und unter dem Ressourcenmangel in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts werden Hausfrauen angehalten und mit Spar-Rezepten animiert, auf diese Garmethode zurückzugreifen.
Buchcover, erschienen 1915
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.
Heute, in einer Zeit, in der Energie sehr teuer ist, erlebt die Kochkiste eine kleine Renaissance. Im Internet kann man beispielsweise moderne Kochkisten aus Styropor erwerben oder man lädt sich eine Anleitung zum Selberbauen der Kochkiste herunter. Eine ganz simple Form der Kochkiste ist, den Topf mit dem angegarten Reis ins Bett zu stellen und ihn mit Kissen und Decken einzupacken.
Text: Christina Treutlein