Ernst May und sein Team bauten zwischen 1925 und 1930 etwa 12.000 neue Wohnungen, deren Grundrisse neu durchdacht wurden. Eine sinnvolle Anordnung der Räume ermöglichte die Einsparung von Raum und somit Geld. Doch sie planten nicht nur neue, kleine Wohnungen, sie überlegten sich auch, mit welchen Möbeln diese auszustatten sind, so dass den Bewohnern genügend Bewegungsspielraum bleibt. Der Architekt Franz Schuster (1892-1972) bekam den Auftrag, Möbel für die neuen Wohnungen zu entwerfen. Er entwickelte die so genannten „Aufbaumöbel“, welche aus lediglich vier „Modulen“ bestehen.
Angelehnt an das Prinzip des Baukastens konnten die Menschen diese Elemente nach ihren eigenen Bedürfnissen und Wünschen selbst zusammenstellen. Hergestellt wurden die vergleichsweise günstigen Möbel – die Rückwände sind aus Sperrholz – von arbeitslosen Schreinern bei der Städtischen Hausrat GmbH.
Die vier Module der Aufbaumöbel |
So schlicht diese Möbel auch sind, der Architekt verzichtete nicht auf ästhetische Details wie die abgerundeten Kanten der Türblätter und Schubladenfronten. Überfälzt zur einfacheren Einpassung liegen sie auf der Möbelfront, die dadurch plastische Strukturen erhält. Ältere Möbel erhielten eine Struktur zum Beispiel durch geschnitzte Ornamente oder Intarsien. Zudem wurden nun funktionale Details wie der Schlüssel und das Schlüsselloch Gestaltungselemente des Möbels. Statt die Schlüssellöcher einfach aus dem Holz zu sägen, erhielten sie eine feine Messingeinfassung. Da alle Türen und Schubladen zum Abschließen sind, verzichtete Schuster auf einen Knauf oder Griff und übergab diese Funktion zusätzlich dem Schlüssel.
Aufbaumöbel von Franz Schuster im ernst-may-haus (Fotos: Christina Treutlein)
Da das natürliche Material Holz auf unterschiedliche Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten reagiert, sich etwas ausdehnt oder zusammenzieht, sind die Maße der Bauteile leichten Schwankungen unterworfen. Die einzelnen Elemente des Möbels würden daher nicht exakt aufeinander stehen. Um keine unschönen und ungeplanten Übergänge zu haben, integrierte Schuster die Ungenauigkeit in den Entwurf und schuf mit einem kleinen Rücksprung an der Unterkante der „Grundformen“ absichtlich eine Fuge. Die künstlich geschaffene Fuge gleicht die natürlichen Variationen des Holzes aus, sie fallen nicht mehr auf. Für eine bessere Stabilität wurden die einzelnen Elemente an der Rückseite mit einer Metallplatte zusammengeschraubt.
Die Fuge zwischen den einzelnen Modulen (Foto: Christina Treutlein)
Text: Christina Treutlein