01.09.2019

Exponat des Monats September 2019

Die Zimmerlinde – Eine Trendpflanze der 20er Jahre


Die düsteren und überbelegten Wohnungen des 19. Jahrhunderts waren nicht nur für ihre menschlichen Bewohner ungesund und viel zu eng, für Zimmerpflanzen waren sie gar lebensfeindlich. Dekorative und exotische Pflanzen zu halten, blieb bis dato ein Privileg der Reichen und Adeligen, die für ihre Gewächse Winter- und Palmengärten bauten. Erst mit den Wohnreformen Anfang des 20. Jahrhunderts tauchen Zimmerpflanzen in den Wohnungen der ganz normalen Arbeiterfamilien auf. Etwas weniger exotische Zimmerpflanzen können deshalb auch als ein Symbol für die Demokratisierung des Wohnens und der Gesundung der Wohnverhältnisse gesehen werden.

Bezahlbare und gesunde Wohnungen für Alle zu schaffen, war das Ziel von Oberbürgermeister Ludwig Landmann, seinem Stadtbaurat Ernst May und dem großen Architektenteam des Neuen Frankfurt, die in nur fünf Jahren ca. 12.000 Wohnungen entstehen ließen. Es verwundert nicht, dass auf den Fotografien von Innenräumen aus dem neuen Massenwohnungsbau der Jahre 1925 bis 1930 Zimmerpflanzen zu sehen sind. Sie waren mehr als nur dekorative Staffage. Die Pflanzen symbolisieren Licht, Luft und Sonne - ihre Lebensgrundlage und gleichzeitig das Motto des Neuen Frankfurt. Auf der Fotografie des Wohnraums der Musterwohnung der Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen, die auf der Ausstellung "Die neue Wohnung und ihr Innenausbau" 1927 zu sehen war, steht mitten auf dem Esstisch eine Zimmerlinde. Neben den heute wieder ein Revival erfahrenden Kakteen erfreute sie sich in den 1920er Jahren einer besonders großen Beliebtheit und hätte zweifelsohne mit dem Begriff "Trendpflanze" betitelt werden können.
 

 

Zimmerlinde (Sparrmannia africana)

Foto: Christina Treutlein


Die Zimmerlinde (Sparrmannia africana) ist eine eher schlichte Pflanze, die weder mit spektakulären Blüten, noch mit kunstvoll gemustertem Laub aufwarten kann und vielmehr mit ihren markanten großen, hellgrünen Blättern besticht. Ihre herzförmigen Blätter sind mit einem zarten Flaum überzogen, der das aus Südafrika stammende Gewächs vor Hitze schützt. Deshalb liebt die schnell wachsende Pflanze auch in unseren Wohnungen einen hellen Standort. Im Sommer kann sie sogar ins Freie gestellt werden. Die Blüten der Zimmerlinde sind recht klein mit weißen Blütenblättern und roten Nektarien. Neben den vielen Abbildungen von Zimmerlinden in der Architekturfotografie ist ihre Erwähnung in Karl Diebolders 1930 erschienenen Buch "Die besten Zimmerpflanzen und ihre Pflege. Eine Anleitung zur Erziehung und Behandlung der schönsten und dankbarsten Topf- und Kübel-Gewächse für unsere Wohnräume" ein Beleg für ihre große Beliebtheit.