29.01.2016

Exponat des Monats Februar 2016

Das Bauhaus-Schachspiel von Josef Hartwig


Würfel, Winkel, Kreuz und Kugel: aus diesen Grundformen konstruierte Josef Hartwig 1924 die Figuren seines Schachspiels. Er übertrug damit die für das Bauhaus elementare Idee form follows function konsequent auf das ehrwürdige Strategiespiel, das seit dem 13. Jahrhundert fest in der europäischen Kultur verankert ist. Traditionell orientiert sich die Gestaltung der Figuren an deren Namen, die wiederum eine symbolische Verbindung zur militärischen Hierarchie auf dem vormodernen Schlachtfeld herstellen. Der König trägt meist eine Krone, der Läufer einen Helm oder aber eine Bischofsmütze. Der Turm zeichnet sich durch seine Zinnen aus und der Springer erscheint mit dem Unterleib einer Spielfigur und dem Kopf eines Pferdes als Kentaur en miniature.

Schachspiel von Joseph HartwigSchachspiel von Josef Hartwig
Foto:  Thomas Halfmann, CC BY-NC-ND 2.0 

Die Figuren des Bauhaus-Schachspiels brachen mit dieser Tradition und orientierten sich allein an Wert und Funktion der Figuren. Die Bauern sind kleine Würfel, der Turm ein schlichter Quader, der an die Architektur des Neuen Bauens erinnert. Der Läufer symbolisiert mit seiner Kreuzform die diagonale Bewegungsfreiheit der Figur. Hartwig schuf damit eine pazifistische Schachversion, die sich durch Abstraktion von der Kriegsmimesis löst und als reines Strategiespiel zu verstehen ist. Das Bauhaus-Schachspiel ist heute ein Designklassiker. Seit Ende letzten Jahren ist die ernst-may-gesellschaft dank einer großzügigen Spende Ulrich Helbings im Besitz eines originalen Spiels.

Josef Hartwig (1880-1955) war Steinmetz und Bildhauer. Nach seiner Ausbildung an der Münchner Akademie war er ab 1914 in Berlin tätig, wo er sich vorwiegend mit der Gestaltung von Grabmalen beschäftigte. 1921 wurde er ans Bauhaus in Weimar berufen und lehrte als Werkmeister Stein- und Holzbildhauerei. Gemeinsam mit Oskar Schlemmer war er mit der künstlerischen Ausgestaltung des Bauhausgebäudes betraut. Nach der Schließung der Weimarer Institution 1925 vollzog er deren Umzug nach Dessau nicht mit, sondern unterrichtete Bildhauerei an der Frankfurter Kunstschule.

Text: C.Julius Reinsberg, Stand: Februar 2016