"Es gibt noch allzuviel Glas, das sich seit dem 19. Jahrhundert kaum weiterentwickelt hat und auf eine übertriebene und geschmacklose Art verziert und geschliffen ist, die in die heutige Zeit wirklich nicht mehr paßt." , kritisiert Walter Dexel (1890 - 1973) in seinen Betrachtungen von Hausgeräten 1938.
Wie befreundete Designer der Neuen Sachlichkeit setzt er dagegen auf schlichte, bewährte und zugleich werkgerechte Formen, die, da keiner Mode unterworfen, den Käufer zeitlebens durch ihre Angemessenheit erfreuen. Mit diesem Anspruch entwarf Dexel 1937 einen Vasentyp, der als "Dexel-Ei" bekannt wurde.
"Dexel Eier", 1937 Gestalter: Walter Dexel Foto: Juliane Geißler |
Namengebend ist die ovoide Form: Die Vasen besitzen einen schmalen, plangeschliffenen Stand, verbreitern sich nach oben und enden mit einem nach innen umgeschlagenen Rand. Seinem Credo entsprechend setzt Dexel mit diesen hochschultrigen Gefäßen auf eine Form, die sich bereits in der Antike bewährt hatte und sich seitdem einiger Beliebtheit erfreut. Dexel-Eier zeichnen sich vor allem durch die Nutzung von sogenanntem Ikora-Glas aus. In dickwandiges Klarglas sind dafür changierende Farbschichten eingeschmolzen und Luftblasen eingeschlossen. Hergestellt wurden die Vasen von der Württembergischen Metallwarenfabrik in Geislingen (bekannt als WMF), die die Ikora-Technik in den 1920er Jahren nach japanischem Vorbild entwickelten und sich später als Marke patentieren ließen. Die schimmernden Oxideinschmelzungen und die unregelmäßig tanzenden Luftblasen gleichen die Massigkeit des farblosen Glases aus und verleihen der Vase ein ausgeglichenes Äußeres.
Der promovierte Kunsthistoriker Dexel beschäftigte sich intensiv mit Formen - ihrer Ordnung und Entwicklung - und trug ab 1942 für die Stadt Braunschweig eine „Formsammlung“ zusammen. Doch Dexel war nicht nur Wissenschaftler. Zeitlebens war er auch schöpferisch tätig, das Vasendesign ist nur ein Beispiel hierfür. Intensiver noch beschäftigte er sich mit der Malerei, Graphik und Typographie. Er arbeitete als Innenarchitekt, Bühnenbildner und Reklamegestalter. Letzteres führte ihn 1926 nach Frankfurt. Zahlreiche Leuchtreklamen und beleuchtete Wegweiser haben Ernst May auf Dexel aufmerksam gemacht. In der Januarausgabe 1927 der Monatsschrift "Das Neuen Frankfurt" sind vier Reklameuhren von Dexel zu finden. Im gleichen Heft werden Aktivitäten der von May eingerichteten Bauberatungsstelle thematisiert. Dem Stadtbaurat ist die Masse heterogener Außenwerbung ein Dorn im Auge. Nach seinen Vorstellungen hat sich die Werbung einer einheitlichen Fassadengestaltung zu unterwerfen, Ziel ist ein ruhiges, geschlossenes Straßenbild. Als behördliches Druckmittel zur Durchsetzung plant May eine Reklameordnung, mit der er Walter Dexel beauftragt. Im dritten Heft "Das Neue Frankfurt" von 1927 erläutert Dexel in seinem Beitrag "Reklame im Stadtbilde" seine Vorstellungen, die folgerichtig aus seiner bisherigen Werbepraxis hervorgehen. Sie sind radikal und bedeuten unvorstellbare Einschränkungen der Werbung. Unter I.2.d heißt es da zum Beispiel: "Bildliche Darstellungen sind im allgemeinen abzulehnen". Auch Fahnenschilder und Transparente sollten nur stark eingeschränkt gestattet werden. Ideal fand Dexel Flachreklame in widerkehrenden, einheitlich hohen Bändern über den Schaufenstern. Auch die Schriftart wurde, der besseren Lesbarkeit willen, festgelegt. Doch Dexels Reklameordnung blieb ein Entwurf. Derartige Einschränkungen führten zu starken Protesten der Geschäftsleute, sie fürchteten finanzielle Einbußen. Der Druck wurde schließlich so groß, dass der Entwurf zurückgezogen werden musste. Im April 1928 erschienen Teile daraus lediglich als "Richtlinien". Diese fassten die Verbote der Reklameordnung positiv. So wurden bildliche Darstellungen hier nicht mehr strikt abgelehnt, lediglich die Schrift als Hauptträger der Reklame beworben.
Eine weitere Idee Dexels war es, Orientierungssysteme für den öffentlichen Raum zu schaffen. So sollten beispielsweise Symbole auf die Branchen, statt auf den einzelnen Händler hinweisen. An einer Frankfurter Straßenbahnhaltestelle machte er es vor: Eine Leuchtsäule wird von einem überdimensionalen H gekrönt, das die Haltestelle weithin sichtbar kennzeichnet. Von Nahem betrachtet informiert die Säule nicht nur über Linien und Abfahrtszeiten, sondern wirbt mit Reklametransparenten für Produkte, die in ihrem Inneren sogar selbst präsentiert werden können: hier befindet sich ein Glaskasten, der von allen Seiten einsehbar ist. Diese Art von Orientierung im öffentlichen Raum, die Dexel und May vorschwebte, wurde jedoch erst in den 60er Jahren wieder aufgegriffen und weiterentwickelt.
Haltestelle Gestalter: Walter Dexel |