Rundfunk zur Unterhaltung gab es in Deutschland erstmals am 28. Oktober 1923 in Berlin. Die erste Sendung des Frankfurter Senders „Südwestdeutscher Rundfunkdienst“ wurde am 1. April 1924 um 20 Uhr ausgestrahlt. Es ist dem Geschick des ersten künstlerischen Leiters Hans Flesch zu verdanken, dass sich der Frankfurter Sender zu den innovativsten in Deutschland entwickelte. Eine wichtige Grundlage für diese fulminante Entwicklung war aber auch die Förderung des Ausbaus der neuen Medien durch Oberbürgermeister Ludwig Landmann. Ein Magistratsbeschluss vom 22. Juni 1925 spricht dem Frankfurter Sender eine wichtige Bedeutung bei der Entwicklung der Stadt zum kulturellen Zentrum in Westdeutschland zu.
Das Interesse an der neuen Technik war enorm, weshalb man in den Wohnungen des Neuen Frankfurt Rundfunkvermittlungsanlagen installierte. Die erste Rundfunk-Zentralanlage wurde in Niederrad gebaut. Sie nahm am 1. Oktober 1927 den ständigen Betrieb auf. 650 Wohnungen waren angeschlossen, 80 % der Mieter waren Rundfunkteilnehmer. Eine zentrale Antenne in der Siedlung nahm die hochfrequenten Wellen auf und an den einzelnen Teilnehmer wurde nur noch niederfrequente Energie weitergeleitet. Die Weiterleitung der Signale zu den einzelnen Häusern erfolgte über Kabel in die Keller. Steigleitungen aus Blei führten in die Stockwerke. Von den Steigleitungen wiederum zweigten die Zuleitungen in die Wohnungen ab, in denen sich eine Steckdose für den Lautsprecher befand. Die Steckdosen waren verplombt, und eine dahinter liegende Schmelzsicherung sorgte dafür, dass sich ein Kurzschluss nicht auf das gesamte Netz auswirkte.
Radiolautsprecher Foto: Christina Treutlein |
Der hier vorgestellte Radio-Lautsprecher ist das Modell „DINO P“ mit eingebautem Transformator der Firma SABA aus dem Jahr 1931/1932. Im Gegensatz zu den heute erhältlichen Radios waren bei den frühen Modellen der Lautsprecher und der Empfänger noch nicht in einem Gehäuse vereint. Wie man der nebenstehenden Anzeige entnehmen kann, waren diese beiden Geräte separat zu kaufen. Da es sich bei unserem Gerät lediglich um einen Lautsprecher handelt, sind daran weder ein Ein-/Aus-Schalter noch ein Lautstärkeregler zu finden. Diese Knöpfe befanden sich an einem zwischen geschaltetem Gerät, über das man diesen Lautsprecher mit der Radio-Steckdose verbinden konnte. Die Radio-Steckdose im ernst-may-haus, dem Musterhaus des Neuen Frankfurt, befindet sich im Wohnraum links neben dem Fenster.
Der am Lautsprecher vorhandene Stecker trägt den Aufdruck „Felderregung“. Frühe Lautsprecher wie dieser hatten meist eine elektrodynamische Felderregung, die der Anodenspannung entnommen wurde, denn bis 1935 waren starke, bezahlbare Dauermagneten noch selten. Aus diesem Grund wurden Elektromagneten in den Lautsprechern verwendet (laut Schaltplan 250 V Gleichstrom).
Ein Radio zu besitzen, war um 1930 noch ein großer Luxus, denn man musste allein für den Lautsprecher 51 Mark bezahlen (durchschnittlicher Arbeitermonatslohn: 250 Mark). Dafür, so verspricht es die Werbung, konnte man mit einem solchen Gerät eine „ganz besonders hochwertige Klangwiedergabe“ genießen und erstmals gemütlich vom Wohnzimmer aus einem live übertragenen Konzert lauschen. |
Text: Christina Treutlein; Technische Informationen: Andreas Klös