Das Neue Frankfurt setzte in den 1920er Jahren nicht nur auf dem Gebiet der Architektur Maßstäbe. Ernst May plante nicht weniger, als in seiner Vaterstadt eine "ästhetish einheitliche Großstadtkultur" zu schaffen. Jeden Bereich der Metropole und alle Sphären des Lebens ihrer Bürger wollte er ästhetisch durchformen. Die avantgardistische Architektur, die der Stadt Weltruhm einbrachte, sollte durch Korrespondenten auf dem Gebiet des Designs, der Grafik und der Typographie ergänzt werden und so den universalen Anspruch einlösen, den die Formel "Das Neue Frankfurt" nahe legt.
Bei der Frankfurtern stieß dies nicht nur auf Gegenliebe. So sorgte etwa das neue Wappen der Stadt für Entrüstung. Der Designer Hans Leistikow hatte den Frankfurter Adler im Stile der neuen Sachlichkeit interpretiert und sich nur bei der Wahl der Farben – rot und weiß – an die Tradition gehalten.
Ein zeitgenössischer Freischwimmerpass
Links oben der Leistikow-Adler
Auch die berühmt-berüchtigte Reklameordnung sorgte für Unmut. Im Auftrag Ernst Mays entwarf der Designer Walter Dexel einen umfassenden Vorschriftenkatalog, mit dem die privatwirtschaftliche Werbung in den Straßen Frankfurts ästhetisch an die Fassaden der modernen Architektur angepasst werden sollte. Die Geschäftsleute der Stadt liefen gegen diese Einschränkung ihrer Werbemöglichkeiten jedoch Sturm, so dass das Hochbauamt letztlich nur einige Richtlinien herausgab.
Und trotzdem: recht schnell wurde die klare Ästhetik des Neuen Frankfurt nicht nur von Amts wegen gepflegt, sondern auch als Vorbild verstanden. Flugblätter, Werbetafeln oder Annoncen legen von der eifrigen Adaption und Weiterentwicklung der neuen Designsprache in der jungen Mainmetropole beredt Zeugnis ab. Heute ist dies fast vergessen, das Frankfurter Design steht im Schatten des ungleich berühmteren Bauhaus.
Die Ausstellung KLAR & BUNT! setzt an diesem Punkt an und legt ihren Schwerpunkt auf das Grafikdesign des Neuen Frankfurt. Sie beleuchtet die von Ernst May angestrebte Großstadtästhetik, die von Designern wie Walter Dexel, Robert Michel und Willi Baumeister realisiert wurde. Die von Dr. Christos Vittoratos kuratierte Ausstellung ermöglicht einen umfassenden Einblick in die bunte Alltagskultur Frankfurts am Vorabend der nationalsozialistischen Diktatur. Sie ist gewissermaßen ein Vorbote einer für kommendes Jahr geplanten Ausstellung im Museum Angewandte Kunst Frankfurt, mit dem das ernst-may-haus in engem fachlichen Austausch steht.
Julius Reinsberg und Christos Vittoratos