Frankfurt war schon Ende des 19. Jahrhunderts in den Genuss der Elektrizität gekommen. Folglich wurde am Bau der Siedlungen weniger die einfache Glühbirne gepriesen als vielmehr der Umgang mit dem Produkt Licht. Blendfrei, schattenfrei, direktes oder indirektes Licht sind einige der Argumente, die zu einer Vielzahl von Leuchtenentwürfen führt.
Restaurant "Reichsautomat" in der Kaiserstraße um 1930
mit Leuchten von Adolf Meyer, Foto: Privatsammlung
Im Kontext des Neuen Frankfurt stehen beispielsweise die Schreibtischleuchten-Klassiker von Christian Dell, die Zeiss-Ikon-Spiegellicht Leuchten von Adolf Meyer und archetypische Modelle von Ferdinand Kramer. Hatten sich Zweckleuchten bisher nur in der Industrie durchgesetzt, so gelang es hier mit einer kultivierten Designpolitik das Wohnen von seinen schweren Kandelabern und Kronleuchtern zu befreien und gestaltet in Glas und Metall zu erleuchten.
Schreibtischlampe Kaiser-Idell
entworfen von Christian Dell
Foto: Christos Vittoratos
Von nicht weniger als einem halben Dutzend Firmen bezog das Neue Frankfurt Leuchten. Bei aller Normierung wurde die Bedeutung der persönlichen Geschmacksentfaltung anerkannt. Angeboten wurde ein Spektrum von den luxuriösen Hängeleuchten der dänischen Firma Louis Poulsen aus Karlsruher Produktion bis hin zu Produkten unbekannter Frankfurter Werkstätten. Aber selbst diese waren für viele Bewohner unerschwinglich, so dass vielerorts einfache Papierschirme zum Einsatz kamen. In Anbetracht dessen, dass die Römerstadt vornehmlich vom gehobenen Mittelstand erstbezogen wurde, ist anzunehmen, dass die mittelpreisige Leuchtenmodelle von Zeiss-Ikon aus dem Frankfurter Register, wie die Schuster-Möbel zur Ausstattung gehörten. Entwerfer der Zeiss-Ikon Leuchten war Adolf Meyer. Er betrieb ein Architekturbüro zusammen mit Walter Gropius und hatte das Bauhaus zugunsten einer Tätigkeit am Neuen Frankfurt verlassen.
Seit 2013 erstrahlt das Wohnzimmer in neuem Glanz
Foto: Peter Paul Schepp
Zeiss-Ikon-Leuchte
entworfen von Adolf Meyer
Foto: Peter Paul Schepp
Welche Bedeutung Kramer dem Licht im Allgemeinen beimaß, zeigt sich in der Gestaltung des Café Bauer 1931: Für dieses Objekt wählte er gediegene Stuhlmodelle von Thonet und inszenierte die Decke durch Ausleuchtung. Hierfür konsultierte er die Lichtingenieure Ganz & Joseph.
Dieser Kompromiss erinnert an die verchromten Stahlrohr-Freischwinger von Marcel Breuer, die den modernen Eindruck durch ihr Geflecht und den Holzrahmen abmilderten. Naturgemäß fand die Leuchte eines lokalen Herstellers nicht die Verbreitung eines Stuhls von Thonet und ist heute eine Seltenheit. Bei unserem Exemplar kommt noch hinzu, dass es sich um das einzige uns bekannte mit Stiel handelt.
Leuchte und Stuhl von Marcel Breuer im Arbeitszimmer
Foto: Peter Paul Schepp
Bünte & Remmler-Leuchte
Foto: Peter Paul Schepp
Die Leuchte im Arbeitszimmer des Musterhauses ist ein echtes Frankfurter Heimspiel. Die drei lokalen Leuchtenfirmen Schanzenbach (Schaco), Bünte & Remmler (BuR) und Christian Zimmermann kooperierten mit der Stadt, die ihnen nicht nur Aufträge gab, sondern auch Designer zur Seite stellte.
Text: Dr. Christos Vittoratos