Von: ct
18.10.2022

Exponat des Monats September 2022

Frankfurter Apfelweinglas


Gläser mit Rautenmuster gibt es schon seit dem 15./16. Jahrhundert, doch waren diese aufgrund der Kostbarkeit des Materials nur in Adelskreisen gebräuchlich, nicht aber in Lokalen der weniger wohlhabenden Menschen. Die Entwicklung zum Massenprodukt, das man in allen Frankfurter Apfelweinlokalen antrifft, begann erst im späten 19. Jahrhundert mit der Erfindung des Pressglasverfahrens. Zuvor wurde jedes einzelne Glas mundgeblasen.

 


Frankfurter Apfelweingläser aus den 1930er Jahren
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.

 

Das konisch-zylindrische Glas bezeichnet man in Frankfurt als „Geripptes“. Sein Name bezieht sich auf die typischen Rippen in Rautenform. Oftmals wird das Muster darauf zurückgeführt, dass man in Frankfurter Apfelweinlokalen meist mit den Händen aß, die folglich fettig waren. Das Rippenmuster sollte das Abrutschen verhindern. Da die Frankfurterinnen und Frankfurter aber auch gesittet mit Besteck aßen, ist die Gestaltung des Glases vielmehr mit dessen Inhalt in Verbindung zu bringen. Die primäre Funktion eines Trinkglases ist die optisch ansprechende Präsentation des darin befindlichen Getränks. Da der früher zumeist ungefilterte und deshalb trübe Apfelwein den Anschein eines minderwertigen Getränks hatte, wurde das Glas mit dem charakteristischen Rautenmuster versehen. In den ins Glas geprägten, erhabenen Rauten bricht sich das darauf fallende Licht und die entstehenden hellen Lichtreflexe lassen den Apfelwein klarer und somit edler erscheinen.

 


Eingravierte Füllmarke: 3/20 L.
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.

 

Die Gestalterinnen und Gestalter des Neuen Frankfurt gaben vielen Alltagsgegenständen neue Formen, doch das Frankfurter Apfelweinglas blieb von Gestaltungsreform unberührt. Seine vormalige Besitzerin hatte es spätestens Mitte der 1930er Jahre in einem Bornheimer Apfelweinlokal erworben, zur Erinnerung an den Stammtisch mit ihren ehemaligen Klassenkameradinnen, den „Bernemmer Mädcher“. Besonderen Wert hatte sie auf die hochwertige und schwere Ausführung des Glases mit dickem Boden gelegt. Das Glas weist zudem kleine Lufteinschlüsse auf und seine Standfläche wurde am Ende des Herstellungsprozesses von Hand geschliffen. Ebenfalls von Hand wurde die Füllmarke eingraviert: 3/20 L. (0,15 Liter) also einen halben hessischen Schoppen (0,3 Liter), ein sogenanntes „Salöngchen“ wie es bei Damenkränzchen üblich war. Auf der Unterseite ist eine Glasmarke zu erkennen, die zwei gekreuzte Schwerter zeigt, ganz ähnlich der Schwertermarke des Meissner Porzellans.

 


Schwertermarke auf der Unterseite des Glases
Foto: Christina Treutlein, ernst-may-gesellschaft e.V.

 

Text: Andreas Klös und Christina Treutlein